[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Bär, der Wolf und der Fuchs

Ein Bär, ein Wolf und ein Fuchs teilten ihr Essen, ihre Arbeit und ihre Ruhestatt miteinander, kurz, sie waren gute Freunde. Sie besaßen auch gemeinsame Vorräte: einen Krug Honig, einen Krug Butter und ein Krüglein Urbetsch. Eines Tages rief der Bär alle aufs Feld zum Erbsenlesen. Es war ein glutheißer Tag, und der Fuchs war der Arbeit bald überdrüssig. Da richtete er sich auf, spitzte die Ohren und rief: »Ja, ich höre! Was ist passiert?«

»Wer ruft nach dir?« Wolf und Bär waren erstaunt. »Gelobt sei Allah!« erwiderte der Fuchs. »Dem Khan ist ein Sohn geboren, und ich werde zur Namensgebung gerufen.«

»Wenn man dich ruft, so geh nur«, rieten ihm die Tiere. Der Fuchs lief heim, naschte von der Butter, probierte den Honig, kostete vom Urbetsch und kehrte aufs Feld zurück. Neugierig fragten der Wolf und der Bär: »Habt ihr dem Sohn des Khans einen Namen gegeben?« Der Fuchs erwiderte: »Ja. Wir haben ihn Halsleer genannt.« Die Tiere fuhren fort, Erbsen zu lesen, und da es immer heißer wurde, spitzte der Fuchs bald wieder die Ohren und rief: »Ja, ich höre ja! Was wollt ihr von mir?« Der Wolf und der Bär fragten: »Wer ruft nach dir? Was ist passiert?«

»Gelobt sei Allah!« gab der Fuchs zur Antwort. »Dem Khan wurde nun auch noch eine Tochter geboren, und ich werde zur Namensgebung gerufen.« Die Tiere nickten zustimmend. »Wenn man dich ruft, so geh nur.« Der Fuchs lief heim, leckte den Butterkrug leer, sättigte sich am Honig und naschte vom Urbetsch. Als er aufs Feld zurückkam, fragten die Freunde: »Na, ist dir ein Name eingefallen für die Tochter des Khan?« Der Fuchs nickte. »Aber ja. Wir haben sie Halbleer genannt.«

Es war schon um die Vesperzeit. Der Fuchs hatte nun erst recht keine Lust mehr zu arbeiten, und so rief er zum dritten Mal: »Ja, ich höre ja. Lasst mich doch zufrieden!« Der Wolf und der Bär knurrten verärgert: »Wieso kriegt die Frau des Khans bei dieser Gluthitze immerfort Kinder?«

»Gelobt sei Allah!« entgegnete der Fuchs mit frommem Augenaufschlag. »Der Khan hat drei Frauen. Diesmal hat ihm die dritte gleich Zwillinge geboren, und nun rufen sie mich zur Namensgebung.«

»Was soll das!« Die Tiere waren unwirsch. »Wir arbeiten den lieben langen Tag, und du gibst nur dauernd allen Namen. Aber wenn der Khan ruft, musst du wohl folgen.« Der Fuchs lief schnurstracks heim, fraß den Honig auf und auch den Urbetsch und leckte mit der Zunge geschickt alles aus, dass nichts zurückblieb. Neugierig fragten der Wolf und der Bär: »Ist dir auch für die Zwillinge ein Name eingefallen?« Den Fuchs dauerte es, dass er diesmal so wenig zum Naschen gehabt hatte, und rief verdrießlich: »Mag der Khan platzen, der alte Fettwanst! Für so winzige Kinder gibt es nicht einmal einen ordentlichen Namen. Ausputzer haben wir sie genannt.« Der Wolf und der Bär arbeiteten weiter bis zur Abenddämmerung. Der Fuchs aber tänzelte nur um sie herum. Schließlich war es an der Zeit, den Heimweg anzutreten. Müde trotteten der Wolf und der Bär nebeneinander her und sagten zueinander: »Heute ist der rechte Tag, um uns an unseren Vorräten zu laben.« Sie betraten ihr Haus, doch alle Krüge waren leer.

Erbost schrie der Wolf den Bären an: »Du hast alles allein ausgefressen!« Der Bär brummte verdrießlich: »Nein, das warst du.« Sie begannen zu streiten, doch der Fuchs versöhnte die Freunde rasch und sagte: »Dem, der so viel Butter, Honig und Urbetsch verzehrt hat, wird das schlecht bekommen. Sicherlich kriegt er furchtbare Bauchschmerzen. Lasst uns schlafen gehen! Morgen finden wir den Schuldigen an seinen Spuren.« Der Bär und der Wolf teilten seine Meinung und schliefen bald ein. Der Fuchs aber konnte keine Ruhe finden: Furchtbares Bauchgrimmen plagte ihn. Er stand auf, legte sich neben den Wolf, hinterließ dort seine Spuren, wischte aber vor der eigenen Bettstatt alles sauber, legte sich dann neben den Wolf und schlief endlich ein.

Als er am Morgen erwachte, sah er, dass der Wolf und der Bär sich prügelten. »Du hast alles aufgefressen!« schrie der eine. »Nein, du!« brummte der andere. Der Fuchs merkte, dass der Wolf und der Bär schon völlig von Kräften waren, und lachte schadenfroh. »Wolf und Bär prügeln sich, dabei hat der Fuchs den Honig allein gefressen!«

»Du alter Lügner bist schuld an unserem Streit!« Endlich besannen sich der Wolf und der Bär, doch es war zu spät. Der Fuchs hatte bereits das Weite gesucht. Der Wolf und der Bär setzten ihm zwar nach, konnten ihn aber nicht mehr einholen.

Der Fuchs rannte zu einer Mühle und warnte den Müller: »Hüte dich, die Menschen, die du beim Mahlen betrogen hast, sind schon auf dem Wege hierher, sie wollen dich umbringen.« Der Müller erschrak zu Tode und versteckte sich hinter den Mühlsteinen. Der Fuchs ließ Wasser über das Mühlrad fließen, die Mühlsteine begannen sich zu drehen und zermalmten den Müller. Der Fuchs trat das Erbe des Müllers an, fraß alle Vorräte auf, die er in der Mühle vorfand, lebt bis zum heutigen Tag im Überfluss und betrügt die Menschen.