[swahili, "Geschichte, Legende"]

Das Gleichnis von den Frauen

Ein Bei besaß drei Frauen. Daheim gab es ewig Zank und Streit - der Bei wurde seines Lebens nicht mehr froh. Als er einmal durch den Aul schlenderte, erblickte er eine seltsame Szene: Ein Bauer pflügte seinen Acker, und wenn er eine Furche fertig hatte, tanzte er eine Lesginka. Der Bei dachte erstaunt: Ich bin reich, habe alles im Übermaß, aber ich kann nicht fröhlich sein wie dieser Mann! Worüber freut sich der Arme nur? Er näherte sich dem Ackersmann und fragte: »He, Pflüger, warum tanzt du nach jeder Furche eine Lesginka? Worüber freust du dich so?«

»Besuche mich heute Abend, dann wirst du es erfahren«, entgegnete der Bauer. Als der Arme abends heimkehrte, begleitete ihn der Reiche. Am Hoftor empfing sie mit freundlichem Lächeln die Frau des Ackersmanns. Sie begrüßte den Gast, öffnete das Tor, spannte die Ochsen aus, führte achtungsvoll den Ehemann ins Haus, half ihm beim Waschen, beim Umkleiden und wies ihm den Ehrenplatz in der Sakija. Dann bereitete sie das Nachtmahl und bewirtete den Gast und ihren Mann. So sah der Bei, wie der Arme mit seinem Weib in Frieden und Eintracht lebte. Er beneidete ihn und begriff, weshalb der Ackersmann so fröhlich war. Ja, für so eine Frau ist man bereit, alles zu geben, dachte der Bei und sprach zum Bauern: »Jetzt verstehe ich, warum du so fröhlich bist. Höre, Ackersmann, ich habe drei Frauen und bin sehr reich, wollen wir nicht miteinander tauschen? Ich gebe dir meine Frauen und drei Arben voller Hab und Gut für jede, du aber überlässt mir deine Frau.«

Der Arme wollte nicht einwilligen, doch der Reiche bat so inständig und malte ihm die Vorzüge des Reichtums in so verlockenden Farben, dass der Bauer dachte: Wirklich, ich bin arm, ewig leide ich Mangel und kann kaum mein Weib ernähren. Ich werde mich mit ihr beraten, was sie zu dem Vorschlag sagt. Anfangs war die Frau gegen den Tausch, doch dann, als sie darüber nachdachte, stellte sie sich vor, was für Reichtümer ihrer harrten, wie viele schöne Kleider und Dienerinnen sie haben werde und dass sie den lieben langen Tag nicht mehr zu arbeiten brauchte. Und so willigte sie ein.

Der Arme setzte seine Frau in eine Arba und brachte sie zum Bei. Unterwegs kamen sie an einen Fluss. Die Frau trug ihren Mann durch das Wasser. So erreichten sie das Haus des Bei. Der Bauer ließ seine Frau dort, nahm die drei Frauen des Bei mit sich und neun Arben voll Reichtümer und machte sich auf den Heimweg. Sie gelangten an den Fluss. Kaum erblickten die Frauen das Wasser, begannen sie zu wehklagen und waren bereit, ihren künftigen Mann wie einen Lastesel zu satteln, um nur nicht ihre Gewänder nass werden zu lassen. Der Arme widersetzte sich nicht. Er begann die Frauen durch den Fluss zu tragen.

Er nahm die erste, ging ins Wasser, und als er in der Mitte des Flusses angelangt war, fragte er: »Nun, Weib, gestehe all deine Sünden!«

»Was heißt Sünden?« rief sie aus. »Ich habe keine begangen!«

»Sprich die Wahrheit!« verlangte der Bauer. »Sonst werfe ich dich in den Fluss!« Da erschrak die Frau und bekannte: »Bei Allah, ich habe eine schlechte Gewohnheit. Mitunter stehle ich irgendetwas aus dem Haus und verkaufe es insgeheim.« Wortlos trug der Arme sie ans andere Ufer. Dann kehrte er um, nahm die zweite Frau, trug sie ebenfalls bis zur Flussmitte und fragte: »Was hast du für Sünden auf dich geladen?« Sosehr sich die Frau wehren mochte, der Bauer zwang auch sie zu einem Geständnis. »Bei Allah, ich habe eine Schwäche. Ich kann den Liebhabern nicht widerstehen.« Der Bauer sah sie zornig an, schwieg jedoch und brachte sie ans gegenüberliegende Ufer. Nun war die dritte Frau an der Reihe. Die bekannte: »Bei Allah, ich klatsche gern und schwatze über andere. Andere Sünden habe ich nicht.« Der Bauer warf sie in den Fluss, ging ans Ufer und setzte seinen Weg fort.

Kaum waren sie daheim, legte der Bauer in der einen Stube ein Längenmaß auf den Tisch, stellte eine Waage daneben und dazu all sein Hab und Gut. Dann sagte er zur ersten Frau: »Hier hast du ein Längenmaß, eine Waage und all meinen Besitz. Nimm, soviel du willst, und verkaufe, was dir in den Sinn kommt. Du brauchst mir nichts zu verheimlichen.« In der anderen Stube brach er das Fenster heraus, das in den Garten ging, setzte dafür eine Tür ein, rief die zweite Frau und sprach: »Hier hast du ein Zimmer und eine Tür für dich. Ich habe sie eingesetzt, damit sich dein künftiger Liebhaber nicht stößt, wenn er durchs Fenster einsteigen will. Außerdem sollen die Leute nicht über uns klatschen.«

Nachdem der Bauer so zu seinen Frauen gesprochen hatte, ging er auf seinen Acker. Als er fort war, überlegte die erste Frau, die gern Dinge aus dem Haus entwendete, um sie zu verkaufen: Mein Mann hindert mich an nichts. Ich kann tun und lassen, was ich will! Wie kann ich ihn da betrüben? Schließlich habe ich Gewissen. Also werde ich nicht mehr meine eigenen Sachen stehlen! Sie stellte das Längenmaß und die Waage fort und räumte die Sakija auf. Auch die zweite Frau begann nach dem Fortgang des Mannes nachzusinnen: Mein Mann lässt mir freien Willen! Wie kann ich da ein lockeres Leben führen? Nein, ich will fortan leben wie alle anständigen Frauen. Sie setzte das Fenster wieder ein und machte sich ebenfalls in der Wirtschaft zu schaffen.

So verging einige Zeit. Der Bei beschloss, dem Armen einen Besuch abzustatten, denn er dachte bei sich: Jetzt tanzt er nach jeder Furche sicherlich keine Lesginka mehr, sondern vergießt bittere Tränen. Als der Bei am Acker des Bauern anlangte, sah er, wie jener pflügte und dabei Lesginka tanzte, so ungestüm, dass der Sand aufwirbelte. »Du tanzt noch immer? Was kann dich jetzt noch erfreuen?« Der Bei war ehrlich erstaunt. »Komm heute Abend zu uns, da wirst du es sehen«, gab der Ackersmann spöttisch zur Antwort. Es wurde Abend, und der Bei zog mit dem Bauern heim. Kaum vernahmen die Frauen das Quietschen der Arba, eilten sie ans Tor. Die eine sperrte es auf, die andere nahm die Ochsen beim Zaum und führte sie in den Hof. Dann schirrten sie gemeinsam die Ochsen ab, halfen dem Mann beim Waschen und Umkleiden und wiesen ihm schließlich achtungsvoll den Ehrenplatz am Tisch. Der Bei war verblüfft. Was ist mit ihnen geschehen? Sie sind ja wie ausgewechselt! Nein, ich will sie auf die Probe stellen, dachte er und legte unter dem Tisch die Hand auf das Knie jener Frau, die ihm ewig untreu gewesen war. Sie holte aus, versetzte dem Bei eine schallende Ohrfeige und schrie ihn erzürnt an: »Hände weg. Unglückseliger! Die Zeiten sind vorbei. Ich bin nicht mehr deine Frau!« Der Bauer lachte und erzählte dem verwirrten Bei alles, was sich zugetragen hatte.

Der Ackersmann Schloss mit den Worten: »Wie es von der Frau abhängt, ob ihr Mann ein Würdiger oder ein Ehrloser ist, hängt es vom Manne ab, ob die Frau ihm Glück ins Haus bringt oder Sorgen.«

»Wenn dem so ist, warum hast du dann eine Frau in den Fluss geworfen?« rief der Bei aus. »Man kann eine Frau von allen Krankheiten heilen, nur von einer nicht, der üblen Nachrede«, entgegnete der Bauer. »Wenn sie dieses Leiden hat, hilft nur das Grab. Diese Heilung habe ich ihr zuteil werden lassen.«

Man erzählt sich, dass die einzige Frau des Bei nach einiger Zeit all die Schwächen bekam, an denen seine ehemaligen Frauen früher gelitten hatten.