[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der blaue Schakal

In einer gewissen Waldgegend lebte ein Schakal namens Tschandárava. Dieser begab sich einmal, vom Hunger und von der Gier seiner Zunge getrieben, mitten in eine Stadt hinein. Als ihn aber die Hunde gewahrten, umzingelten sie ihn bellend von allen Seiten und fingen an, ihn mit ihren scharfen Zähnen zu beißen. Da lief er, für sein Leben fürchtend, in das nahe Haus eines Färbers. Dort stand ein großes Fass voll Indigolösung, und in dieses fiel er, von den Hunden verfolgt, hinein. Als er wieder heraus kroch, war er blau gefärbt. Die Hunde hielten ihn nun nicht mehr für einen Schakal, und jeder lief weg, wohin ihm beliebte. Auch Tschandárava begab sich nach einer entfernten Gegend und machte sich auf nach einem Walde. Die blaue Farbe aber wich nie von seiner natürlichen. Sagt man doch:

Was Mörtel, Weiber, Indigo, ein Krebs und ein Betrunkner fassen, Desgleichen Fische und ein Tor, davon sie nimmer wieder lassen.

Als nun dieses bisher nie gesehene Geschöpf, das wie ein dem Gift am Halse Sivas vergleichbarer Tamálabaum aussah, die Tiere des Waldes, die Löwen, Tiger, Leoparden, Wölfe und die übrigen sahen, da liefen sie, außer sich vor Furcht, fliehend nach allen Seiten hin und sagten: »Man kennt sein Wesen und seine Tapferkeit nicht. So lasst uns denn eilig davonlaufen. Es heißt ja:

Ein Kluger ist, wenn Wohlergehen er wünscht, vor dem auf seiner Hut, Den er nach seinem Treiben noch nicht kennt, auch nicht nach Stamm und Mut.«

Als Tschandárava sah, dass sie vor Furcht außer sich waren, sprach er zu ihnen: »He, he, ihr Tiere, warum lauft ihr denn bei meinem Anblick erschrocken davon? Habt keine Furcht. Ich bin von Brahma selbst heute erschaffen worden, und er hat zu mir gesagt: ›Weil die Tiere jetzt keinen König haben, so setze ich dich heute feierlich zum Herrscher über sie alle ein. Darum geh und beschütze sie alle.‹ So bin ich denn hierher gekommen, und deshalb sollen alle Tiere im Schatten meines Sonnenschirmes wohnen. Ich, Kakuddruma mit Namen, bin der König der Dreiwelt geworden.« Nach diesen Worten umringten ihn alle Tiere, Löwe und Tiger an ihrer Spitze, und sprachen: »Herr, Gebieter, befiehl uns!« Er übertrug nun dem Löwen das Ministeramt; der Tiger wurde Hüter seines Ruhelagers; der Leopard musste ihm den Betel darreichen, der Wolf sein Tor bewachen. Mit den Schakalen aber, zu deren Geschlecht er gehörte, redete er auch nicht einmal, sondern sie wurden alle aus seiner Nähe gewiesen. Während er in dieser Weise die Herrschaft führte, wurde von dem Löwen und von anderem Wild getötet und vor ihn gelegt, und er verteilte es nach Herrscherrecht unter sie alle und gab ihnen ihren Anteil. So verging die Zeit. Einst geschah es nun, dass er in der Ferne Schakale heulen hörte. Darüber freute er sich so, dass ihm am Leibe die Härchen starrten und seine Augen sich mit Tränen füllten, und er fing an, laut mitzuheulen. Als aber der Löwe und die andern Tiere diesen lauten Ton hörten, dachten sie: »Das ist ein Schakal«, blickten einen Augenblick vor Scham zu Boden und sprachen: »Oh, wir haben uns von ihm anführen lassen! Ein erbärmlicher Schakal ist er. Darum muss er sterben!« Er wollte fliehen, als er dies vernahm; aber er wurde gleich an Ort und Stelle von dem Löwen und anderen Tieren in Stücke zerrissen und starb.

Wer von den Seinen sich entfernt und Fremde zu den Seinen macht, Gleichwie Kakuddruma voreinst, der König, wird er umgebracht.